Kritik, verwendet im sozialen Miteinander, nähert sich Tatbeständen wie etwa Nötigung oder Beleidigung. „Kritik erwünscht“ hieß es im Sozialismus, aber auch der ist seit längerem in der Wahrnehmung irgendwo zwischen Vogelgrippe und Grexit verortet. Wenn „man“ etwas wahrnimmt. Und das wa(h)r natürlich gelogen. Damit ist diese Lüge eine der wenigen Über“bleibsel“ der ehemaligen DDR, der intellektuelle Schwager des grünen Pfeils (es geht ja irgendwie auch ums Abbiegen). Aktuell ist nichts weniger gewünscht als Kritik im täglichen Leben. Übrigens auch in der Politik, wo nur mit sehr, sehr viel Wohlwollen von diskursiv-kritischen Auseinandersetzungen gesprochen werden kann. Von „konstruktiv“, Teil einer verlorenen Basisqualifikation im Nachkriegsdeutschland einmal ganz zu schweigen. Zwei Tendenzen wachsen über den Trend zu Kultur heran und beginnen sich, ganz zeitgemäß in medial appetittlichen Häppchen zu materialisieren: Miss Verständnis setzt den Trend niemanden je und unter gar keinen Umständen offen zu verletzen! Das ins Wort gegegossenen Menetekel, das Programm von Miss Verständnis dazu lautet: „so kann man das nicht sagen“. Während Miss Gunst schlicht den stärkenden Charakter konstruktiver Kritik als Gefahr für die eigenen Position erkennt und daher die eristische Dialektik mit Verunglimpfung und Totschlagargumenten aufrüstet. Mit „So geht das nicht“ erobert Miss Gunst schnell jedwede Räume durch Konversion: das harmlose „so“ ward taktische Allzweckwaffe. Soweit nachvollziehbar?